HEINRICH KURT OTTO HOUBROK
NACHSCHRIFT
Um den Inhalt dieses Berichtes in seinen Einzelheiten besser verstehen zu können, muss ich meine Tätigkeit in einigen Punkten erlautern:

Als Kriminalsekretär (Rechercheur) hatte ich bei der Sicherheitspolizei - Abteilung Spionagebekämpfung die Aufgabe, die wegen Spionage festgenommenen Personen schriftlichen zu verhören. War solch ein Verhör fertig, dann hatte ich es meinem Referatsleiter - gewönlich ein Kriminal Kommissar - vorzulegen. Dieser entschied daa, was in den einzelnen Fällen noch zu machen sei, mussten weitere Personen festgenommen werden, dann beauftragte er hierzu das dafür eingerichtete "Festnahme-Kommando",welches nichts weiter als Festnahmen machte. So erhielt ich dannfortlaufend die in dieser gleichen Sache festgenommenen Personen zum Verhör, bis dieser Fall abgeschlossen werden konnte. Der Vorgang mit dem Titel "-X- und andere"wegen Spionage oder Feindbegünstigung wurde dann an den Rechtsberater beim Wehrmachtbefehlshaber - zuletzt Oberkriefsgerichtsrat Dr. MÖLLER - zur Aburteilung abgegeben.
Gleichzeitig wurden ihm die Gefangenen überstellt, dass heisst, dass er von nun ab, die Verantwortung :uber die Gefangenenübernahm. Bei der Gerichtsverhandlung wurde dann meist der betr. Sachbearbeiter (Interrogator) - also ich - als Zeuge gerufen, weil es vorkommen konnte, dass Punkte unklar waren.
Es gab nun verschiedeneMöglichkeiten. Die Beschuldigten wurden verurteilt oder freigesprochen, oder an die SiPo zurückgegeben mit der Anordnung, sie für Kurz oder langfristig in ein KL einzuweisen. In besonders schweren Fällen, wo der Rechtsberater verpflichtet war, nach dem Gesetz diese Personen alle zum Tode zu verurteilen, gab es eine Möglichkeit, dieses zu umgehen. Er trennte einfach einen Teil der Beschuldigten vom Verfahren an und stellte sie unter den "Erlass des General Feldmarschall KEITEL" der kurzerhand der "Keitel-Erlass" oder "N. u. N. Erlass" genannte wurde. N.u.N. heist Nacht und Nebel, und zwar aus den Grunde, weil diese Gefangenen, die unter dem N.u.N. Erlassnach Deutschland kamen, vollkommen von jeder Verbindung mit Haus oder Aussenwelt abgeschlossen waren, nicht einmal in Todesfällen wurden die Familien benachrichtigt. Diese Personen sollten nach beendigung des Krieges abgeurteilt werden. Man wollte vermeiden jetzt zu Kriegszeiten so viele Niederländer zum Tode zu verurteilen, weil das Gesetz es forderte. Dass es diese Gefangenen in Deutschland schlechter haben sollten ist eine irrige Auffassung, das besagte auch nicht der Erlass. Ob sie es schlechter gehabt haben weiss ich nicht. (
?)
Ich hatte in den ganzen Verband nur die eine Aufgabe, die festgenommenen Personen zu Verhören. Selbst hatte ich nichts zu entscheiden und war nicht einmal in der Lage, Besuche von Gefangenen zu genehmigen, oder die geringste Kleinigkeit zu unterzeichnen. Dafür war in jedem Falle der Referatsleiter zuständig, der sich natürlich von mir in Einzelheiten berichten liess.
Wenn ich nichts entscheiden konnte, so war es mir als Sachbearbeiter (Interrogator) doch überlassen, wie die einzelnen Punkte in dem Verhör, schriftlich niederlegte. ich will damit sagen dass es mir möglich war, besonders gefährlich Punkte für den Festgenommenen oder für noch festzunehmen Personen, einfach aus dem Schriftstück herauszulassen. Was ich auch in vielen Fällen getan habe, weil ich menschliches Mitgleid mit den Gefangenenfühlte, zumal es mir als Polizeibeamter mit über 20 Dienstjahren bekannt war, dass auf Spionage allein die Todesstrafe stand. Darum versuchte ich in den meisten der Fälle - soweit ich keine allzugrosse Schwierigkeiten für mich selbst voraussah - es nicht zur "Spionage" kommenzu lassen. Dass will wieder heissen, dass ich den Wort laut des Verhören so abfasste, dass es keine Spionage wurde oder werden konnte. In vielen Fällen gab ich den Gefangenen dazu noch Tips, wie sie und was sie vor Gericht aussagen müssten und wo der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit nach dem Deutschen Gesetz liege. Dadurch was es mir möglich, für die einzelnen zu sorgen.
Es hatte sich dieses unter den Gefangenen im Gefängnis Scheveningen und Lager Haaren schnell herumgesprochen und war auch nicht meiner vorgesetzten Dienststelle geheim geblieben, sodass ich deswegen manche Schwierigkeiten hatte. Man nannte mich daher allgemein: "Rechtsanwalt der Niederländer".
Meine Schwierigkeiten, die ich auf dieser Seite in zahlreichem Masse hatte, konnte ich aber durch meine "Erfolge" wieder ausgleichen. Ich meine damit die tatsächliche Unterbrechung von Funk - oder Nachrichtenlinien nach England, ohne besondere Festnahmen. Wie ich bereits in Meinem Berichte er wähnte, liess ich mir zum beispiel von den Parachutisten beim Verhör ihre Funkstellen sagen um die Geräte abholen zu können, versicherte ihnen aber gleichzeitig, keine Personen - besonders die Wohnungsverantwortlichen und Mitarbeiter - zur Festnahme zu bringen. Ich schrieb einfach über solche Angelegenheit nichts, sondern holte das Gerät, meist mehrere auf verschiedenen Plätzen ab. Dann erwarnte ich die betr. Personen, die sich eigentlich der Spionage schuldig gemacht hatten. Wenn es sich um Personenhandelte, die bereits vor ihrer Festnahme sehr bekannt warenund deren Tätigkeiten schon, früher vollends klar lagen, konnte ich nur wenig tun. In all den Fällen habe ich mich aber mit den Angehörigen auseinandergesetzt und ihnen Ratschläge gegeben wie und was für Gnadegesuche sie schreiben sollten.
In vielen Fällen habe ich sie selbst formuliert. In vielen Fällen hatten solche dann auch Erfolg. Ich habe immer Wege gewusst und auch gefunden, um Helfend einzigreifen. Wie dieses auch aus den einzelnen Punkten meines Berichtes zu er...ist. Man soll nun nicht denken, dass ich die Niederländeren ihrer Spionage gegen mein eigenes Vaterland unterstützt habe. Im Gegenteil. Ich habe mein Möglichsten getan, um diese unterbinden. Ich will aber zum Ausdruck bringen, dass man seinen Dienst als Polizeibeamter so und so machen kann, ich habe meinen Dienst verrichtet mit humansten Mitteln, auf humanste Weise, viel Erfolge gehabt und trotzdem alles daran gesetzt, des Menschenleben möglichst zu schonen. Auch wenn ich selbst dabei Schwierigkeiten hatte und in meinem Fortkommen gehindert wurde. Ich habe meine Pflicht getan als Deutscher Soldat und auch als Mensch gegenüber Menschen.
Was die Behandlung der Gefangenen angeht, habe ich mich um jeden Einzelnen bemüht, ihm die Haftzeit so angenahm wie möglich zu gestalten, obwohl mich dieser Punkt überhaupt nichts anging. Ich setzte es bei meinen Gefangen immer durch, dass sie ausreichende Pakete bekamen mit ausreichende Rauchwaren, weil ich ihre Nöte kannte, denn ich stand tätsächlich mit ihnen in Verbindung. Selbst wenn es streng verboten war, Pakete zu schicken, habe ich Mittel und Wege gefundenden Gefangenen solche zugänglich zu machen. Meist liess ich sie dann an meine Adresse schicken und nahm sie fortlaufend selbst mit ins Gefängnis. So auch mit den Rot Kreuz Pakete.
Wenn es sich um finanziell schlecht gestellte Leute handele habe ich dafür gesorgt, dass die finanziell gut gestelltenso zahlreiche Pakete bekam und so die ärmeren mit durchgenommen werden konnten.
Über all diese Angelegenheiten werden meine ehemaligen Gefangenen gern Bestätigungen geben. Auch Frau Von OVEREEM, vom Niederländischen Rote Kreuz - Zahnarzt Dr. JENS, aus Wassenaar, der Zahnarzt und gefangener in Scheveningen war - und auch der Sanitäter -X- aus dem Gefängnis Scheveningen, sind in allen diesen Punkten genaüstens informiert und können dazu ausreichend sagen. Ich kann wohl mit Recht behaupten und beweisen, dass es kaum einer meiner Gefangenen gegeben hat (das heist, die ich verhört habe), die es in ihrer Haftzeit hier in Holland - soweit ich noch Einfluss darauf hatte - so schlecht gehabt hat, wie ich es in den ersten 10 Monaten meiner Gefangennahme hatte. Diese Leute wussten, wofür sie festgenommen waren, wofür sie verurteilt wurden, ich weiss jedoch nicht, wofür ich als als Polizeibeamter mich über 1 Jahr im Gefängnis befand, unter Umstände, die kaum schlechter sein konnten.



                                                                                                       HOUBROK